Die Münchner Weißwurst

   Weißwurst
 
Nach Einem Aufsatz Von:  Sybil Schreiber, in Tagesanzeiger 25.09.9



Zubereitung:
Die Münchner Weisswurst ist der Bayern Stolz. Das Rezept aber
verdanken sie den Schweizern.

Von Sybil Schreiber Der Bayer ist ein stolzer Mensch. Er lebt in einem
weissblauen Königreich, dessen Grenzen er "Weisswurst-Äquator" nennt.
Erstens, weil die weissen Würste seine Leibspeise sind. Und zweitens,
weil der Bayer davon ausgeht, dass jenseits der Wurstgrenze niemand
diese Delikatesse originalgetreu herstellen kann.

Aber da täuscht er sich ganz gewaltig. Denn ohne die Schweizer könnte
er seine "Weisswurscht" -- so wird sie in Bayern liebevoll genannt --
schlichtweg vergessen. Der Zuercher Metzger-Personalverband wars
nämlich, der 1950 ein Handbuch für die Wursterei herausgab. Und eben
dort wurde das bis dahin einzige schriftliche Rezept der "Münchner
Weisswurst" verewigt. Was früher an Weisswürsten im Wasser schwamm,
waren völlig unterschiedliche Versionen des heutigen Klassikers. Das
Schweizer Rezept hingegen wird seither in dieser Form von den
profilierten Wurstmachern angewendet.

Doch das interessiert kaum einen in Bayern. Man will in Ruhe seine
Würste essen und sich nicht mit aussenpolitischem Papperlapapp
abgeben.

Prall wie die Brust einer Magd Rund um die Weisswurst, die für
Stammtischbrüder "so weiss sein muss wie das Knie einer Jungfrau und
so prall wie die Brust einer Magd", kursieren allerlei Gerüchte.
"Mythos Weisswurst" nennt der Münchner Journalist und Buchautor Peter
M. Lill die bayerische Fleischeslust, und so heisst auch sein Buch zum
Thema. Als gebürtiger Bayer weiss der Autor ausserdem, dass für seine
Mitmenschen im Freistaat die Weisswurst kein Nahrungsmittel ist,
sondern ein Stück Heimat -- ein schützenswertes Kulturgut
gewissermassen, das mit Respekt zu behandeln ist. Auch wenn es der
Bayer anders sieht, macht sich die Weisswurst langsam, aber sicher auch
jenseits des Wurst-Äquators einen Namen. Wer früher aus München
anreiste, nahm als Mitbringsel einen Sack Würste und den obligaten
süssen Senf mit. Die Beschenkten stürzten sich darauf, denn die
gebrühte weisse Wurst war ein seltener Leckerbissen. Ein Schmankerl
eben, wie die Münchner sagen.

Nichts als Wasser Mittlerweile gibts die hellhäutige Delikatesse auch
bei einigen innovativen Schweizer Metzgereien zu kaufen. Der Globus
produziert alle zwei Tage "eine ganze Menge hausgemachter
Weisswürste", erklärt Roland Kaiser von der Charcuterie. Die Wurst
aus Bayern belege gar Platz drei der Wurst-Hitparade, liegt also knapp
hinter Kalbs- und Schweinsbratwurst. Und besonders jetzt, da in
München das Oktoberfest stattfindet, scheinen viele Zuercher ein
bisschen an der gemütlichen, bierseligen Stimmung teilhaben zu wollen:
"Im Augenblick werden wir richtig bestürmt", freut sich Kaiser.
Spoetter rümpfen über den Erfolg der bayerischen Wurst die Nase: Sie
sei ja eigentlich nichts anderes als gefestigtes Wasser. Stimmt. Aber
nur bedingt. Denn neben H2O stecken darin auch Kalbsbrät,
Schweinespeck, allerlei Häutelwerk, Muskatbluete, Zwiebel, Zitrone und
Petersilie.
Ein Münchner Faschingsprinz .sagte einst, dass die Petersilie in der
Weisswurst für einen echten Bayern die einzige Art sei, Vitamin C zu
sich zu nehmen.

Jedenfalls nimmt er eine Menge Kalorien zu sich: 290 Kalorien pro
hundert Gramm verbergen sich in der Wurst. "Ein normal grantelnder
Durchschnittsbayer, also ein mürrischer, hat mit vier Würsten pro Tag
seinen täglichen Kalorienbedarf zur Hälfte abgedeckt", schreibt
Buchautor Lill. Sein Fazit: "Die Weisswurst trägt wesentlich zum
Ausbau des persönlichen mittleren Rings bei und prägt somit eindeutig
das Allgemeinbild der Menschen in bayerischen Städten und Dörfern."
Die Urweisswurst, deren Rezept später von den Schweizern verfeinert
und vor allem niedergeschrieben wurde, erblickte das Licht 1857 im
Gasthof "Zum ewigen Licht" am Münchner Marienplatz. Der Moser Sepp war
ein umtriebiger Wirt. Am Faschingssonntag stand er frühmorgens.in
seiner Küche und bereitete die Wurstmischung vor.
Bis dahin hatte er die Masse in dünne Schafssaitlinge abgefüllt und
dann braun gebraten. Aber dem Schicksal sei Dank, waren ihm just an
jenem Sonntag die Schafsdärme ausgegangen. Er hatte einzig noch
Schweinedarm zur Hand, füllte diesen dick mit Brät -- und um die
feine Schweinehaut nicht durchs Braten zu ruinieren, köchelte er die
Würste sachte im Wasser.

Als die Gäste zum Frühschoppen Bier und Würste bestellten, staunten
sie nicht schlecht. Aufgetischt wurden keine verkohlten Bratwürste,
sondern pralle, blasse Dinger. Die Skepsis wich nach dem ersten Biss
der Begeisterung -- so jedenfalls wills die Legende: "Pfennigguat,
Sepp!" sollen die Gäste gerufen haben.

Bei aller Freude über die Entdeckung stellte sich schon damals die
Frage: Isst man die Haut mit oder nicht? "Bloss nicht!", rufen
bayerische Schlemmermäuler. "Die Haut hat übrig zu bleiben!" Und das
ist eine Kunst.

Saugen oder säbeln Um das Fleisch aus der Hülle zu pellen, gibt es
die unterschiedlichsten Methoden. Zuzzeln ist die genüsslichste,
gleichzeitig aber auch die unappetitlichste .Art: Die Wurst wird
regelrecht ausgesaugt, das Fleisch mit den Zähnen herausgezerrt.
Weitaus eleganter ist der komplizierte Kreuzschnitt: Die Wurst wird
mal zick, dann zack im Schrägischnitt zerteilt und jeder Bissen
einzeln aus der Haut geschält. Zurück bleibt ein Schweinedarm im
Rautenmuster (dem bayerischen Wappen entsprechend). Am häufigsten wird
der Längsschnitt angewendet, bei dem die Wurst in Hälften aus der
Hülle gelöst wird.

Abzuraten ist auf jeden Fall von der Methode eines gewissen Oswald aus
München. Der Mann hatte gewettet, eine Wurst in einem Biss essen zu
können. Bei seinem Versuch anno 1989 verschluckte er sich dermassen,
dass es ihm den Atem verschlug. Drei Wochen nach der Weisswurstattacke
starb er auf der Intensivstation einer Münchner Klinik Süsser Senf
Erfinder des bayerischen, süssen Weisswurst-Senfes ist der
Westschweizer Johann Conrad Develey. Er gründete 1845 in München eine
Senffabrik und wurde in kürzester Zeit zum Senfbaron. Wer will, kann
sich seinen Senf selbst machen, meint Buchautor Peter Lill.

Das Rezept:

200 g gelbes Senfmehl, 50 g grünes Senfmehl und 250 g braunen
Farinzucker (möglichst feinkörnig) miteinander mischen. 1.25 l
Wasser, 0.8 l Essig, eine halbe Zwiebel, zwei Nelken, ein Lorbeerblatt
etwa zehn Minuten miteinander kochen. Dann Senfmehl und Zucker in die
Brühe rühren und einkochen, bis die Masse eine zähe Konsistenz
erhält.

"Diese Wurst ist ein Symbol" Der Münchner Autor Peter M. Lill ist
Weisswurst-Profi.

Warum haben Sie ein Weisswurst-Buch geschrieben? Ein Freund von mir
ist Metzgermeister und Weisswurst-Spezialist. Ich habe vor Jahren an
einem Weisswurst-Seminar von ihm teilgenommen und dort Anekdoten
gehört. Damit sie nicht vergessen werden, habe ich das Buch
geschrieben.

Ein Buch über eine Wurst. Nicht ein bisschen dürftig? In München
ist die Weisswurst Lebensstil. Sie ist ein Symbol. In einer
Gesellschaft, in der niemand mehr Zeit hat, steht die Weisswurst für
Musse. Man isst sie zur Brotzeit, also dann, wenn der Rest der Welt
arbeitet -- morgens zwischen zehn und elf, nachmittags so gegen vier
Uhr. Für mich ist die Weisswurst reine Esskultur.

Woher kommt eigentlich die Regel, dass man Weisswürste essen soll,
bevor die Mittagsglocken läuten? Früher gab es keine Kühlsysteme.
Um Wasser, Fett und Fleisch miteinander zu mischen, darf es nicht
wärmer als 17 Grad sein. Also musste die Produktion vor der
Mittagshitze abgeschlossen sein. Hier in Ebersberg werden jeden Freitag
um zehn Uhr kesselfrische Würste serviert.

Was ist in Sachen Weisswurst der grösste Fehler? Wenn man sie mit dem
Messer regelrecht zermetzelt, gruslig, was man da zu sehen bekommt.
Oder wenn man Sauerkraut dazu isst. Das passt nämlich absolut nicht zu
dem feinen Aroma der Wurst.

Und woran erkennt man eine gute Wurst? Sie muss prall und hell
marmoriert sein. Andere Würste riechen, eine Weisswurst duftet.



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