Marzipan - das weisse Gold I

  



Zubereitung:
Jetzt liegt es wieder in Form von Broten, Kringeln oder auch Kugeln,
die, weiss der Himmel warum, Kartoffeln genannt werden, in
Schaufenstern und auf vorweihnachtlichen Naschtellern: Marzipan.
Häufig kommt es aus Lübeck. Nun sind die Lübecker zwar Meister in
der Marzipanherstellung, erfunden haben Sie den Mix aus Zucker und
Mandeln jedoch nicht, auch wenn sich hartnäckig folgende Anekdote
hält: Wir schreiben das Jahr 1407.
Die Hanse verschafft der Stadt einen erheblichen Bevölkerungszuwachs,
der so kräftig ausfällt, dass die schlechte Getreideernte des Jahres
zu einer Hungersnot an der Trave führt. Als die Kornspeicher leer
sind, befiehlt der Lübsche Senat den Bäckern, aus den Mandelvorräten
in den Speichern Brot zu backen. Aus den Öfen kamen Markusbrote,
lateinisch: marcis panis, zu gut deutsch Marzipan. Von den zahlreichen
Legenden um den Ursprung der begehrten Leckerei hält sich diese
Version besonders beharrlich. Vielleicht, weil sie von Phillip Cluver,
einem 1580 in Danzig geborenen Altertumsforscher in seiner Germania
antiqua ausführlich beschrieben wird. Ähnliche Geschichten gibt es
jedoch auch aus anderen Städten, wo sich die Zuckerbäcker auf die
Produktion des weissen Goldes verstehen, so aus Erfurt, Aachen,
Breslau, Königsberg, Mailand oder Florenz. Etwas näher kommt der
Sache allerdings doch ein Lübecker: Thomas Mann. Der Schriftsteller
schrieb: "Das Rezept für Haremskonfekt, diese üppige Magenbelastung
aus Mandeln, Zucker und Rosenwasser sei wohl über Venedig an
irgendeinen Herrn Niederegger in Lübeck gelangt". Ganz falsch lag
Thomas Mann dabei nicht. Aber der Reihe nach: Die volksetymologische
Erklärung des 'marcis panis' ist heute durch andere Hypothesen
verdrängt worden. Um der Sache auf die Spur zu kommen, bedarf es
jedoch eines gedanklichen Spagats zwischen Orient und Occident. Um das
Jahr 1000 gab das mächtige Byzanz Münzen aus, die einen sitzenden,
d.h. nicht im Krieg befindlichen, Mann, zeigten. Gemeint war damit
Jesus Christus. Sitzender Mann heisst auf arabisch mauthaban; und
genauso nannte das Volk am Bosporus besagte Münzen. Verlagern wir den
Ort der Handlung ein wenig weiter nach Westen, genaür gesagt nach
Venedig. Die mächtige Stadt an der Lagune hiess aufgrund der 828 in
Alexandria geraubten Reliqien des heiligen Markus seit dem 10.
Jahrhundert auch 'Republik von San Marco'. Hier schliesst sich der
Kreis zum eingangs erwähnten Markusbrot, wie wir im folgenden sehen
werden. Venezianische Kaufleute, in ständiger Handelsbeziehung mit dem
Orient, brachten den mauthaban um 1200 nach Europa und nannten den
Silberling fortan Mataban. Der Romanist und Etymologe Prof. Ernst
Gamillschegg bezweifelt zwar eine engere Verwandschaft zwischen
mauthaban und Mataban, da der Laut au bei Entlehnungen aus der
arabischen Sprache normalerweise übernommen wurde, was aber die
Existenz der venezianischen Münze nicht ungeschehen macht. Nun besteht
schon seit frühen Kulturzeiten eine enge Wechselbeziehung zwischen
Münzwerten und Masseinheiten. Ein vergleichsweise modernes Beispiel
sei der Begriff Pfund, der bei uns als Gewichtseinheit und in
angelsächsischen Ländern als Währung bekannt ist. In Venedig wurde
der Schiffszoll in Mataban abgerechnet. Der Zoll richtete sich nach dem
Ladevolumen, und so entwickelte sich im Lauf der Zeit in Venedig der
Begriff Mataban für Getreide- und Schachtelmasse. Auch die
neapolitanische und sizilianische Sprache kennt die Worte Martzapane
und Marzapane für 'kleine Schachtel'. Spanschachteln waren damals das
übliche Behältnis für den Transport von Gewürzen und Konfekt.
Irgendwann hat dann vermutlich ein Zolleinnehmer Inhalt und Verpackung
verwechselt und aus Mataban wurde im Lauf der Zeit Marzipan. Mit hoher
Wahrscheinlichkeit ist der vordere Orient das Ursprungsland der
Mischung aus Zucker und Mandeln. Hier bestanden die besten klimatischen
Voraussetzungen für das Gedeihen des Mandelbaumes, der ja schon im
Alten Testament erwähnt ist. Maurische Seefahrer fuhren über das
Arabische Meer nach Indien, dem Ursprungsland des Zuckerrohrs, und
brachten dieses schon früh in ihre Heimat. Bereits zu Zeiten des
berühmten römischen Arztes Galenos von Pergamon bauten die Araber
Zuckerrohr an, allerdings aufgrund der klimatischen Bedingungen nur in
bescheidenen Mengen. Zucker war also eine Kostbarkeit, und so ist es
kein Wunder, dass Marzipan, das heute in Persien übrigens 'gaz'
genannt wird, als Krönung der Tafelfreuden an den Höfen der Kalifen
galt. Der 965 verstorbene Dichter Al Mutanabbi bekam für seine Werke
eine Belohnung besonderer Art: einen aus Zucker und Mandeln geformten
Fisch im Honigbad. Nur wenig später warfen die Araber ihre gierigen
Augen auf die iberische Halbinsel, nach Spanien und Portugal.
Als Reiseproviant diente auch Marzipan, das bestenfalls trocken werden
kann, und keinesfalls so leicht verdirbt wie Fisch oder Fleisch.
Folgerichtig wurde Marzipan auch schnell ein Hit in Toledo und Porto.
Fast zeitgleich trachteten die Christen nach Rache an Türken und
Arabern, die 1070 Jerusalem eroberten, und so die Pilgerfahrten
erschwerten. Mit grosser Wahrscheinlichkeit waren die Kreuzzüge an der
Verbreitung des Marzipans beteiligt.
Doch wesentlich war sicher der Handel der Venezianer; besonders
deutsche Kaufleute aus der Stadt an der Lagune handelten bevorzugt mit
Dingen, die teuer waren, und so besonders fette Gewinne versprachen.
Die ersten literarischen Spuren des Marzipans finden sich bei Giovanni
Boccacio (1313-1375). In seinem Decamerone stellt der einfältige
Ferondo fest, sein Weib sei das honigsüsseste und viel verzuckerter
als Marzipan.
Vergessen wir nicht, dass Zucker, und somit auch Marzipan, immer noch
eine Pretiose war.



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