Uccellini: Fleischvögel für Fortgeschrittene

   uccellini
 
REF:  Rubrik Michael Merz Beobachter 7/02
   Erfasst von Rene Gagnaux



Zubereitung:
Zähes Kuhfleisch, dünn geschnitten, geklopft und zum Schmaus gegart:
Die Urform der Fleischvögel ist ein Paradebeispiel dafür, was sich
mit einfachen Zutaten anrichten lässt. Uccellini, die Luxusvariante
aus Kalbfleisch, hat auch in der grossen Küche Eingang gefunden.

Es gibt Gerichte, die kann kein noch so grosser Koch erfinden. Es sind
solche, die aus sehr einfachen Zutaten entstehen und für deren
Zubereitung keinerlei Kunstfertigkeit nötig ist. Allenfalls braucht es
etwas Zeit und damit Geduld. Der legendäre Spitzenkoch Eckart
Witzigmann definierte diese Gerichte so: 'Man hat etwas sehr Einfaches
und fügt nach und nach ebenfalls etwas sehr Einfaches dazu. Zum
Schluss hat man etwas sehr Gutes, ohne je flambiert, passiert, garniert
oder einen komplizierten Fond hinzugegeben zu haben.' Die meisten
Schmorgerichte funktionieren nach dieser Grundregel.
Suppengerichte entstehen so. Auch die beliebten 'Hausfrauenkuchen' # ob
'Blitztorte' oder 'Gugelhopf' spielt keine Rolle # entstehen so.
Sie werden angerührt und gebacken. Schichttorten mit komplizierten
Füllungen und grandiosen Glasuren bleiben besser dem professionellen
Konditor vorbehalten. Wie wir alle wissen, garantiert aber auch dieser
den Erfolg nicht immer.

Ursprung der Vögel war die Kuh - Auch unsere Uccellini sind ein
solches Urgericht der Alltagsküche. Ihr Name # Vögelchen # führt uns
zwar ins Italienische, aber auch unser deutscher Sprachraum kennt
solche Gerichte, wie die Bezeichnung Fleischvogel einwandfrei belegt.
Allerdings sind die meisten dieser 'Vögel' von handfesterer
Beschaffenheit als unsere Version. Das hat mit dem Ursprung des
Gerichts zu tun. Fleischvögel entstanden nämlich aus jenem Fleisch,
das niemand kaufen wollte, weil es selbst gekocht nicht zu kauen war:
Kuhfleisch.

Vielleicht, dass sich aus gewissen Stücken noch ein saftiger
Schmorbraten kochen liess. Aber meistens lieferten diese Gerichte bloss
eine wunderbar kräftige Sauce und ein Fleisch von der Härte und
Trockenheit erstklassigen Styropors. Um die langen und harten
Fleischfasern irgendwie kleinzukriegen, zerteilte man die Stücke in
möglichst dünne Scheiben. Mit dem Küchenhammer klopfte man diese
dann auf enorme Ausmasse aus. Dabei zerteilten sich die zähen Fasern,
und das Fleisch wurde zarter. Saftig wurde es trotzdem nicht.
Deshalb füllte man die Fleischstücke mit gerösteten Brotwürfeln,
die viel Sauce in sich aufnahmen. Man rollte sie um eine Füllung von
gehackten Bratenresten auf, denen man Gemüse- und Speckwürfel
beigemischt hatte. Kräuter verliehen dem Gericht kräftige Frische und
Ausdruck.

Geduld bringt Zartheit Wenn die Haute Cuisine ihre Gerichte aus der
Qual der Wahl kreiert, findet die Alltagsküche ihre Gerichte aus der
Qual der Not: aus dem Wenigen, das gerade da ist. Während die grosse
Küche ihre Köstlichkeiten mit raffinierten Techniken zur
kulinarischen Perfektion bringt, entstehen jene der einfachen Küche
stets in einem einzigen Arbeitsablauf.

Sind die Fleischvögel aufgerollt und angebraten, werden sie in viel
würziger Flüssigkeit lange geschmort. In der Normandie gibt man
Apfelwein bei, in Deutschland Essig, in Italien einen Tischwein.
Dabei geschieht etwas Wichtiges: Die zähen Eiweissketten des
Fleisches werden zerkleinert; dadurch wird das Fleisch zarter. Weil man
auch dieses Fleisch nicht saftig kochen kann, muss eine kraftvolle
Sauce für die Illusion von Saftigkeit sorgen. Beim Anbraten
caramelisiert der Zellzucker, und das Gericht bekommt eine tief
aromatische Struktur. Alle Zutaten # vom Gemüse über das Fleisch bis
hin zum Wein # verbinden sich zu einem runden Ausdruck.
Ein Meistergericht ist geboren.

Ein Meistergericht sind auch die Uccellini. Es ist die moderne
Abwandlung des alten Prinzips der Fleischvögel. Sie ist nicht billig,
denn sie bestehen aus zartem Kalbfleisch und einer genauso einfachen
wie köstlichen Füllung. Uccellini sind im Handumdrehen zubereitet.
Sie sind ein Gericht, das sich fast gleichzeitig kochen und servieren
lässt. Ideal, wenn Sie Gäste haben. Es schmeckt so gut, dass es
inzwischen auch die grosse Küche in ihr Repertoire aufgenommen hat.



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